Ise Schwartz Retrospektive Pasquart Biel 2010

Die pure Lust am Malen

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 12. Juni 2010

Im Centre Pasquart ist heute (12.6.2010) Vernissage. Im Kunsthaus sind zwei neue Ausstellungen angesagt:  Ise Schwartz führt vor, was Malerei sein kann, Denis Savary weist in Videos auf mögliche Geschichten.

Ise Schwartz lässt keinen Zweifel: Die Malerei als Komposition von Farbe und Form ist das Thema ihrer Kunst. In den Galerien führt sie uns über zwei leichte, mit Schablonen und Spraydose ausgeführte Wandmalereien in ihre heiter-abstrakten Bild-Gärten zwischen Architektur und Natur. Im Korridor zum Parkett I hingegen empfängt uns ein fulminanter, 44-teiliger Wand-Paravent in satten blau, grün und wenig rot; auch er abstrakt, konstruktiv und naturnah, doch expressiver in der Umsetzung. „Die pure Lust am Malen“, kommentiert die Künstlerin. Es ist der Auftakt zum retrospektiven Teil der Ausstellung.

Ise Schwartz kam 1989 von Bonn herkommend als erste Stipendiatin ins Atelier Robert nach Biel und blieb da. 1993 zeigte Andreas Meier ihre Werke erstmals im Pasquart; seither waren sie hier mehrfach an Weihnachtsausstellungen und in der Galerie Silvia Steiner zu sehen, aber auch anderswo in der Schweiz und vor allem weiterhin in Deutschland, zum Beispiel 2004 im Museum der Stadt Siegburg.

Ise Schwartz setzt den Akzent ihrer Ausstellung auf „Malerei“. Das ist angesichts des in den letzten 30 Jahren entstandenen Werkes nachvollziehbar. Es blendet aber aus, dass das früheste, 1979 in realistischem Stil gemalte, das Intérieur einer Bar zeigende Hochformat bereits den Abschluss des Frühwerkes darstellt. Ise Schwartz startete in den späten 1960er-Jahren mit typisiert-weiblichen Alltagsbilder im Stil der Pop Art und stellte in dieser Zeit auch bereits international aus.

In Biel gut vertreten sind die 1980er-Jahre als sich Schwartz der Bonner Frauen-Gruppe „zart& zackig“ anschloss und unter dem Einfluss der „wilden“ Zeit den „schönen Schein“ malte. Wer genau hinschaut, merkt schnell, warum ihr die figürlichen Bilder aus dem Rotlicht-Milieu wichtig sind. Sie markieren zum einen das im Verlauf der Zeit vorherrschend werdende Interesse an der Malerei an sich und zugleich die Liebe zum Spiel mit Mustern und Ornamenten aller Art. Sind die „Pattern“ hier noch funktionsgebunden, das heisst auf Kleidstoffen zu finden, werden die Muster-Versatzstücke im Schaffen der letzten 10 Jahre zum eigentlichen Alphabet ihrer Malerei.

Es lässt sich daran auch ein Charakteristikum des aktuellen Schaffens ablesen: Ise Schwartz’ Malerei, wie sie in den Galerien hängt, ist abstrakt und nicht ungegenständlich. Ob sie digital bearbeitete Ornamente von Bettdecken, Bodenplatten, Geländer oder Muster zeitgenössischer Architektur zu mehrschichtigen Kompositionen in mannigfaltig  ausfächernden Stilen arrangiert, immer ist da ein letzter Rest von Zugehörigkeit. Was in der Wirkung einerseits ein Empfinden von vertraut und zugleich geheimnisvoll auslöst, andererseits auch das zeitgenössische Moment in Schwartz Kunst beinhaltet: Kein Stil, keine Form, kein Muster, die nicht durch Fantasie, durch Software, durch Vergrösserung, Verkleinerung, Überblendung unendlich abgewandelt werden können. Insbesondere das einem Wasser-Strom gleich installierte „Panorama“ verleiht dieser virtuosen Vielfalt eindrücklich Ausdruck.

Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit hat sich denn auch im Werk von Ise Schwartz nie widersprochen. Wenn es für sie nötig war, entstanden in den 1990er-Jahren auch immer wieder inhaltsbetonte Serien. In der Ausstellung sind unter anderem die Familienporträts, die zurück in die Kindheit der Künstlerin führen, zu sehen. Es ist die Zeit als in Deutschland die Frauen und die Grossväter die Fotos dominieren, weil die Väter im Krieg oder in Gefangen-schaft sind. Es gibt kaum einen deutschen Künstler oder eine deutsche Künstlerin, die sich nicht zeitweilig mit Geschichte befasst hätte. Vielleicht reagierten darum auch so viele auf den Golfkrieg von 1991. Ise Schwartz zum Beispiel schuf für jeden der 42 Kriegstage eine Art Trauerstein aus Holzterrazzo. Auch hier ist indes, ähnlich wie in der Malerei, das Experimentelle im Umgang mit dem Medium respektive dem Material ein wichtiger Bestandteil des Werkes.

Dass das Museum Pasquart die heute 68-jährige Bieler Künstlerin mit einer Retrospektive ehrt, liegt aufgrund der Qualität ihres Schaffens auf der Hand. Denn überzeugend halten ihre grossformatigen Bilder den hohen Räumen stand.  Doch wie ist Schwartz’ Schaffen auf nationaler Ebene zu verorten? Die abstrakte Malerei ist zurzeit nicht Main-Stream – das Gegenständlich-Gesellschaftliche, das Narrative dominiert. Vergleichbare Positionen, die es durchaus gibt, stehen darum ähnlich wie Ise Schwartz kaum im Rampenlicht. Doch denkt man zum Beispiel an die Installation von Christine Streuli an der Biennale Venedig 2007, so kann man durchaus ein Mutter-Tochter-Beziehung feststellen.

Bis Ende August 2010

Bildlegende:

Ise Schwartz und Caroline Nicod unterhalten sich im Türbogen des für das Museum Pasquart inszenierten, 44-teiligen malerischen „Panorama“.  Bild: azw

Werke aus den 1980er-Jahren. Bild: azw