M.S. Bastian/Isabelle L bei Silvia Steiner in Biel 2010

Die Grenzen zwischen Comic und Kitsch auskostend

 www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 17. November 2010

Nach drei Jahren „Apokalypse“ widmen sich M.S. Bastian&Isabelle L dem „überschäumenden Dschungel“. Einem Paradies so verführerisch wie beängstigend, auf Leinwand und doch im Cyberspace. Jetzt in der Galerie Silvia Steiner in Biel.

Drei Jahre hat das Bieler Künstlerpaar M.S. Bastian&Isabelle L an einem 32-teiligen und 52 Meter langen Apokalypse-Panorama gearbeitet; einer schwarz-weissen Zitatenfolge der Schrecklichkeiten der Kunstgeschichte im Comic-Stil. Nun ist die „Bastokalypse“ auf Tournee; vom Museum Goch in Deutschland her kommend, ist sie aktuell in Genf, ab 3. Dezember in der Hochschule der Künste in Bern, danach an den Solothurner Filmtagen zu sehen. Wieso nicht in der Salle Poma im Pasquart, fragen wir. Das wüssten sie auch nicht, ist die Antwort.

Aktuell in Biel zu sehen ist hingegen ein Ausschnitt aus dem mittlerweile rund 120 Bilder und Skulpturen umfassenden „Paradis fantastique“, eine Werkreihe, in welcher die beiden bewusst eine Art Kontrastprogramm ausloten. Es ist ein „überschäumenden Dschungel“ – so der Titel einer Arbeit – , der als Hommage an Rousseau, Robert und Hokusai  gekenntzeichnet, eine malerische Position zwischen Naiver Kunst, Comic und Manga einnimmt. Rousseaus „rot-leuchtende Sonne“, Hokusais „Mount Fuji“ lassen es leicht erkennen. „Uns geht es um das ‚Dazwischen’; hier um ein bewusstes Verschmelzen von Romantischem, Erzählerischem und Fantastischem bis an die Grenzen des Kitschs.“ Tatsächlich ist das Paradies von M.S. Bastian&Isabelle L  eine unglaublich verdichtete Natur-Welt, die von Rousseau das Vereinfachende und das Metamorphotische, von Robert das Groteske und von Hokusai das Gelassene übernimmt und so ein eigenes Science Fiction-Universum schafft.  Eine handfest gemalte Cyber-Welt, in der es  durchaus nicht allen wohl ist, so zumindest suggeriert das die eher erschreckt oder verängstigt wirkende Mimik der da und dort in einer Wald-Lichtung stehenden „Löwen“.

Interessant ist, dass M.S.Bastian und Isabelle L trotz ihres internationalen Erfolges nicht etwa in einer geräumigen Loft arbeiten, sondern nach wie vor in einem kleinen Zimmer ihrer Wohnung am Neumarktplatz. Und dies, wenn nicht gerade unterwegs in Genf oder London oder anderswo, von morgens bis abends. Nur in dieser Enge, mutmassen die beiden, könnten so dichte Bilder entstehen und das Miteinander so intensiv umgesetzt werden. Im Detail wissen die beiden schon, wer die Rispen einer Pflanze, die Augen des Pulp, wer die starken und wer die gemischten Farben gesetzt hat, aber für die Bildbetrachtenden wirken die Bilder als Einheit – nicht einmal als Dialog.

Es sind jetzt zehn Jahre, dass die beiden zusammen malen und fünf Jahre seit sie ihre Bilder doppelt signieren. „Es war und ist ein hartes Stück Arbeit, Sammler, Galerien, Schreibende zu überzeugen“, sagt M.S. Bastian. Nicht zuletzt darum sei die „Apokalypse“ so wichtig, denn jetzt stamme das „Opus magnum“ des Gesamtoeuvres von beiden gemeinsam. Für ihn sei einfach eines Tages klar geworden, dass dieser Pulp – immer noch das Markenzeichen – nicht mehr seiner sei, sondern Ausdruck „von uns beiden“ , beschreibt Bastian den Prozess zum Auftritt als Paar.

M.S. Bastian&Isabelle L zeigen bei Silvia Steiner ein Mix aus verschiedenen Bildformaten, grossen und kleinen Figuren und Baum-Objekten. Die Ausstellung ist dicht, entspricht dem Gedrängten in den Dschungel-Bildern, ist aber insgesamt nicht so überladen wie die Ausstellung bei Martin Krebs in Bern vor einiger Zeit, wo die Grenzen des kommerziellen Gemischtwaren-Ladens unser Ansicht nach überschritten waren. „Bei unserer Kunst stellen sich immer Fragen“, meinen die beiden, „denn für den Comic-Künstler seien Bilder nur Druck-Vorlagen, das „Original“ quasi das reproduzierte Buch. In der freien Kunst sei das umgekehrt und sie bewegten sich dazwischen, für sie sei das Original der Apokalypse so wichtig wie das langgezogene, gedruckte Leporello davon (Verlag Scheidegger & Spiess). Durch dieses „Dazwischen“ ist die Position der beiden hüben und drüben nicht unbestritten. Der Markt gibt ihnen Chancen, die grösseren Museen eher nicht. Es kann durchaus sein, dass sich das einges Tages ändert.

Info: Bis 18. Dezember. 28. November 11 – 13 Uhr Apéro mit dem Künstlerpaar und Präsentation des Buches „Bastokalypse“. Galerie offen: Mi,Do,Fr 14-18, Sa 14-17 Uhr.

 

 

Geschenk an die Stadt

In der Kunstsammlung der Stadt Biel befindet sich eine Vielzahl von Werken von M.S. Bastian, vereinzelt auch von M.S. Bastian&Isabelle L.

Teils wurden die Bilder, Skulpturen, Objekte, Reliefs von der Stadt angekauft, zuletzt da Grossformat „Bastropolis“ im Jahr 2007. Auffallend ist die grosse Zahl von Schenkungen.

Erst kürzlich übergab M.S. Bastian der Stadt noch einmal eine Werkgruppe aus den 1980er und 1990er-Jahren.

Zum einen aus Dankbarkeit gegenüber der frühen Förderung, die er hier durch die Schule für Gestaltung und deren Umfeld erhielt und weil er gerne in Biel lebt.

Zum andern strebe er und Isabelle L kein persönliches Museum an, wollten in ihrem Lager keine Werke, die älter seien als 10 Jahre.  Ihnen sei lieber, sie seien irgendwo platziert. (azw)

 

Bildlegende:

 

Blick in die Ausstellung „Le paradis fantastique“ von M.S. Bastian&Isabelle L in der Galerie Silvia Steiner in Biel.