Eric Lanz Hervé Graumann Renatus Zürcher Bundesamt für Statistik 1999

Die Neuen Medien erobern die Kunst am Bau

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 1999

Erstmals in der Geschichte der Kunst an Bundesbauten sind Arbeiten mit Neuen Medien realisiert worden. Eric Lanz, Hervé Graumann und Renatus Zürcher kommentierten im Bundesamt für Statistik in Neuenburg ihre Konzepte.

Lange war die Kunst am Bau eine Domäne der Skulptur; zunächst der autonomen Plastik, später immer mehr der dialogischen Gestaltung mit der Architektur. Mit dem Aufbruch der jungen Kunstschaffenden zu vergänglichen Installationen und filmischen Medien wurde es in den letzten Jahren immer schwieriger, zeitgenössische Bedeutung und Kunst am Bau zusammenzuführen. Da und dort sprach man von Krise, wusste nicht wie die aktuellen künstlerischen Interessen mit dem Anspruch an Beständigkeit und Dauer im Rahmen von Kunst am Bau in Einklang bringen. Es kommt hinzu, dass die Architektursprache der 90er Jahre selbst so lebendig in ihren Formen und Materialien ist, dass sie Kunst am Bau im traditionellen Sinn oft kaum erträgt. Die besten Lösungen waren in den letzten Jahren jene, die Kunst und Architektur bereits in der Planungsphase in direktes Gespräch brachten.

Beim Bundesamt für Statistik in Neuenburg, einem interessanten, reich und offen gegliederten Gebäude des Berner Architekturbüros „Bauart“, das vor einigen Monaten bezogen wurde, ist die Eidgenössische Kunstkommission neue Wege gegangen. Sie kam zum Schluss, dass die Vorstellung, dass Kunst am Bau statisch sein müsse und nach der Realisierung möglichst wartungsfrei einer Zeit steten Wandels nicht mehr entsprechen könne. Schon gar in einem Bundesamt für Statistik, das mit neuesten Computertechniken dem Wandel der Dinge mathematischen und grafischen Ausdruck gibt. So lud sie ausschliesslich Kunstschaffende zum Wettbewerb, deren Medium die Video- und elektronische Kunst ist. Gewonnen wurde er vom Genfer Hervé Graumann (geb. 1963), vom Basler Renatus Zürcher (geb. 1957) und von dem in Genf und Düsseldorf lebenden Bieler Eric Lanz (geb. 1962). Alle drei sind als multimediale Künstler über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt; insbesondere Graumann und Lanz waren schon mehrfach mit wichtigen Arbeiten in Biel zu sehen.

Wer sich nun – vielleicht mit Schrecken – ein Haus voll von flimmernden Projektionen vorstellt, liegt falsch. In einem intensiven Prozess einigten sich die drei Künstler auf drei grossformatige, flache Bildschirme aktuellster Technik, die in die Proportionen der betont konstruktiven Architektur eingepasst sind und – analog jedem Computer – als Bild- und Film-Boxes funktionieren. Die auf der Festplatte des Hauscomputers gelagerten respektive direkt mit dem Internet verbundenen, künstlerischen Programme können von einem Stehpult aus angewählt werden können. Ueberzeugend ist, dass die drei Arbeiten gänzlich voneinander verschieden sind und gleichzeitig verschiedene Aspekte der Tätigkeit eines statistischen Amts aufnehmen, vielleicht sogar persiflieren.

Hervé Graumann erfand 1993 den Computermaler „Raoul Pictor“, mit dem er seither verschiedene interaktive Projekte realisiert hat. Lächelte man zu Beginn, so zeigt sich heute immer mehr, wie träf Graumann PC-Möglichkeiten und -Gewohnheiten synthetisiert. In Neuenburg heisst das konkret, dass ein im Internet anwählbares, zum Zeichnen animierendes Programm (www.collectivepainting.ch) das auf den drei Monitoren erscheinende Bild einem Software-Parameter entsprechend ständig wandelt. Es entsteht ein kunterbuntes, farbiges, ineinanderverschachteltes Bild rätselhaften Inhalts.

Eric Lanz arbeitet schon lange mit Sammlungen von Gegenständen materieller, fotografischer oder digitaler Erscheinungsform. In der Neuenburger Arbeit setzt er der vermeintlich trockenen Statistik scheinbar Sinnliches entgegen. Ueber eine fingiert interaktive Struktur werden aus einem Felderprogramm einzelne Materialien wie Tuch, Wolle, Erde etc. herangezoomt, von einer virtuellen Hand befühlt, betastet, geknautscht und im dritten Bild als Gegenstand gezeigt. Die Sinnlichkeit, das Taktile, das Greifbare ist perfekte Illusion; frägt sich nur, ob wir noch wissen, wie sich Erde in Wirklichkeit anfühlt.

Renatus Zürcher bringt als bewusst ortsbezogene Struktur das Moment des Oeffentlichen und Privaten ins Spiel und lässt es in die Bedeutung von Dokumentation kippen. Er zeigt, inviduell abrufbar, eine Vielzahl von Sequenzen aus privaten, meist alten Super 8- und Normal 8- „Home Movies“. Ferien, Alltag, Haus und Garten, Sport und Kreuzfahrt seit den 50er Jahren mischen sich. Gleichzeitig verbinden sich Momente von Voyeurismus, Erinnerung und Zeitdokumentarischem zu einem spannenden Ganzen.

Wer in der Eingangshalle eines Statistischen Amts Zahlen und Informationen erwartet, wird somit überraschenderweise von Sinnlichem, Erzählerischem, Malerischem empfangen. Und so gelingt es über die Kunst am Bau, Denkanstösse zu vermitteln, die vom Ort über den Ort hinaus weisen und zugleich über die stete Präsenz im Internet ihre Ortsgebundenheit sprengen. Der Pferdefuss: Der Wandel der Technik wird stete Anpassungen erfordern.

Die Eingangshalle und das Informationszentrum des Bundesamtes für Statistik, das sich direkt neben dem Bahnhof Neuenburg befindet, sind öffentlich. Einsicht ist auch möglich über die Internet-Pages www.collectivpainting.ch und www.admin.ch/bfs.