Buch Susanne Daeppen zum Butoh Tanz 2010

Die Magie der Langsamkeit

 www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 11. Februar 2010


Die Tänzerin und Bieler Kulturpreisträgerin Susanne Daeppen hat in der Bieler Edition Clandestin ein Buch herausgegeben, das sich dem Butoh-Tanz und ihren Erlebnissen damit befasst.

„Ich denke, dass es in den revolutionären 60er Jahren absolut nötig war, dem Tanz wieder einen archaischen Geschmack zu geben“, schreibt Susanne Daeppen im Vorwort zur deutsch-englisch-französischen Publikation „Die Kunst der Langsamkeit“ – „The Art of Slow Movement“ – „L’art de la lenteur“. „Das Buch ist enstanden, weil ich der Fülle, die ich mit dem japanischen Butoh-Tanz erlebte, in einer schriftlichen Form Ausdruck geben wollte“.

Das Buch ist mit Fotografien aus Susanne Daeppens „Dakini Dance Projects“ von den „Invisible Portraits“ im Bieler  Gaskessel 1998 über „The human plant“ auf der Seewiese 2005 bis zu „Twilight“ im Zentrum Paul Klee 2008 reich bebildert. Auf der Wortebene enthält es eine Einführung in die  40-jährige Geschichte und das Wesen des Butoh-Tanzes, eine „Begegnung mit Susanne Daeppen“ aus der Sicht von Ursula Frauchiger, der Leiterin des Bereiches Tanz, Theater, Literatur am Zentrum Paul Klee sowie – als wohl berührendstem Teil – die Ich-Erzählung des persönlichen Weges der Künstlerin von einer ersten Ausbildung in Modern Dance in New York (1986-1988) zum verinnerlichten Butoh, dem „Tanz von der Natur zur Seele“, wie der Untertitel des Buches heisst. Sie hatte Butoh 1986 in den USA für sich entdeckt, konnte ihn 1992 als Schülerin von Kazuo Ohno in Japan hautnah erleben und erlernen, um ihn schliesslich zu ihrer eigenen west-östlichen Vision zu verdichten.

„Kazuo Ohno“, so Daeppen, „war ein Lehrer, der einem das Wunder des Lebens bewusst machen konnte. Obwohl damals schon weltbekannt…. lehrte er in demütiger Bescheidenheit. Wie der Mensch, so sagte er, so habe auch das Universum seinen Lebenslauf….Butoh bedeute für ihn, das Kostüm des Universums anzuziehen.“

Solche Leitsätze sind auch als Zitate in einem Buch nicht ungefährlich, bergen sie doch die Gefahr einer letztlich verschwommenen Lobrede auf nicht Fassbares. Susanne Daeppen entgeht dieser Gefahr in einem Kapitel, das sie „Anleitungen zur eigenen Praxis“ nennt, wie sie sie auch in der Dakini Tanzwerkstatt in Nidau anwendet, um ihren Schülerinnen und Schülern das Ziel des Butoh, die Verbindung von Körper, Geist und Seele, nahezubringen. Da ist zum Beispiel vom „Inneren Knochenberühren“ von fliegenden, schwebenden, schiebenden, flüssigen Knochen die Rede oder von „Schwemmholz“ und „Treibgut“. Man solle sich vorstellen, dass „unser Skelett wie Schwemmholz im Wasser treibt. Das Wasser wird im Körper visualisiert und die Knochen treiben in diesem Körpergefäss.“

Susanne Daeppen hat zahlreiche Produktionen realisiert, in denen sie den Butoh-Tanz in lichterfüllte, oft farbige Szenen einbrachte oder in direkter Auseinandersetzung mit der Natur – zum Beispiel in der solothurnischen Verenaschlucht – visualisierte. Das Buch reflektiert zwar in den dicht mit den Texten verbundenen, teils vereinzelten, teils seriellen Aufnahmen von Marcel Meier die Auftritte der Künstlerin als Performerin oder  als Regisseurin einer Gruppe bewegter Männer und Frauen in eindrücklicher Weise.

Leider fehlt dazu aber ein dokumentarischer Teil, der die einzelnen Produktionen – auch die Begleitmusik –  konkret fassbar machen würde. Immerhin zeigen die mit Ort- und Zeitangaben versehenen Aufnahmen indirekt die Entwicklung der Künstlerin von den eher performativen Auftritten wie „Electric Material“  von 2001 am Rennweg über die sehr körperbetonte Inszenierung „Fragile“, die Daeppen unter anderem 2003 im Museum für Gestaltung in Zürich als Solo aufführte, bis zu der in Partnerschaft von Mann und Frau, Mensch und Natur getanzten Produktion „Twilight“, die 2007 im Pavillon in Biel uraufgeführt wurde, ihren Höhepunkt aber wohl 2008 in der Aufführung im Park des Zentrums Paul Klee hatte.

Es fehlt im Buch auch ein kritisch-praktisches Kapitel, das auf die enormen Schwierigkeiten der freien Tanz-Produktion hinweist, die sich ihre Unterstützung für jeden Anlass hart erstreiten muss. Umso glücklicher ist der Umstand, dass Susanne Daeppen im Rahmen der Buch-Vernissage vom kommenden Samstag, 20. Februar, erneut auf die Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee zählen darf. Paul Klee, so zitiert Ursula Frauchiger den Maler in ihrem Text, habe die Bewegung als allem Werden zugrunde liegend beschrieben, das verbinde seine Forschungen mit jenen des Butoh-Tanzes.

Das Buch ist sowohl übergeordnet wie lokal, das heisst für die Bieler Kulturszene, eine wertvolle Bereicherung. Es ist auch eine durch und durch bielerische Produktion. Stadt und Kanton haben sie, neben anderen, mitfinanziert, Jörn Jönsson zeichnet für die Grafik, Judith Luks leistet mit der Edition clandestin die Verlagsarbeit und die Druckerei Gassmann AG besorgte den sorgfältigen Druck. 


Info: Das Buch kostet 45 Franken und kann über info@dakini-dance.ch bestellt oder in der Buchhandlung Lüthy direkt gekauft werden.

Bild:

Szene aus der Produktion „Twilight“ im Park des Zentrums Paul Klee,  2008. Foto: Marcel Meier

Buchvernissage

Samstag, 20. Februar, 11 – 17 Uhr im Zentrum Paul Klee in Bern

11 Uhr Ansprachen von Juri Steiner, Direktor ZPK, Ursula Frauchiger, Judith Luks und Susanne Daeppen

12 Uhr Performance „Twilight“ im Forum mit Live Musik von Omri Hason und Susanne Daeppen (Stimme). Es tanzen. Seraina Duveen, Andrea Hurni, Ivo Knill, Christoph Lauener, Lidija Pestaj und Remo Ryser. Lichtkonzept. Felix Mosimann.

14 Uhr Kunst der Langsamkeit: Workshop mit Susanne Daeppen für interessierte Museumsbesucher in der aktuellen Ausstellung.

15 Uhr Performance „Twilight“. S.o.

Weitere Infos: www.dakini-dance.ch, www.edition-clandestin.ch, www.zpk.org