On the spot – Ausstellungen, Installationen, Performances Bern 2000

Wer ist die Öffentlichkeit und wo die Kunst?

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 9. August 2000


„On the spot” untersucht künstlerische Produktionsformen in der Stadt. „Transfert” auch in Bern? Ja und Nein. Das dreimonatige Kunstevent ist ein „work in progress”: „City Tracks”, „Public Messages”,”Secret Spots”.

Wie die Kaskade von Anglizismen zu Beginn dieses Textes aufzeigt, wird auch die Kunstkritik – analog zur U-Musik – immer mehr zu Übersetzungsarbeit. Englisch ist als gemeinsamer Nenner bei einer Welt-Veranstaltung sinnvoll. Bei einem Ereignis mit mehrheitlich deutschsprachigen Künstlern und Künstlerinnen, die sich in ortsspezifischen Inszenierungen mit Bern auseinandersetzen, wirkt die Fremdsprache als künstliche Überhöhung. Sie wird unfreiwillig zum Thema selbst, etwa wenn man im Wörterbuch die 19 Bedeutungen von „spot” durchgeht und dabei auf den Begriff „to put on the spot” stösst, einem bildlichen Ausdruck für einen Mord. Und diese Erkenntnis dann mit den „fiktiven Tatorten” von Ruth Buck kurzschliesst , die Passanten bat, sich auf einem Berner Trottoir auf den Boden zu legen und dabei ihre Silhouetten mit weisser Farbe umriss. Doch das ist nicht die Fährte, auf die Beate Engel und Katrien Reist, die beiden Initiantinnen, die Stadtgänger/-innen primär ansetzen wollen.

Ähnlich wie Marc Olivier Wahler von „Transfert” (Biel) beobachteten die Kuratorin der Berner Stadtgalerie und die Kuratorin des Kunstkiosk, dass die Kunstschaffenden der Jahrtausendwende keine geschützten Kunsträume mehr wollen. Dass Herausforderung für sie Kontaktmöglichkeiten mit der Bevölkerung sind, auch – oder gerade weil – diese davon nicht nur begeistert ist. Es sei denn, es komme zur persönlichen Begegnung. Zwei Parallelen mögen das erläutern: Philippe Ramette, der „Transfert”-Künstler, der einen freien Sockel ins Zentrum des Kreisels auf dem Guisanplatz in Biel platzierte, sagte, das grösste Erlebnis sei für ihn, wie sich die Gärtner nach einem Gespräch für seine Arbeit einsetzten und besonders schöne Blumen wählten. Und Jan Kopp sagt ihn Bern sichtlich gerührt, die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr bei der Installation seines Lichterstrangs („Bakunin’s Party”) von der Münsterplattform hinunter in die Matte, sei für ihn ein einmaliges Erlebnis. Da geht es also ganz offensichtlich nicht nur um theoretische Konzepte, sondern um das, was heute so rar geworden ist: Um menschliche Kontakte. Die manchmal gelingen, und zuweilen auch nicht.
Noch weit stärker als „Transfert” sucht „on the spot” in seinem ersten, bis 22. September dauernden Teil mit dem Titel „City Tracks” (Stadt-Fährten) diese Kontakte zu schaffen. Darum setzt man mehr auf Veranstaltungen als auf Zeichen und Werke. Gespannt sein darf man zum Beispiel auf die Aktion „Jmarbabevf”, einer Gruppe von Berner Künstlerinnen. Sie werden am 11. August von der Lorraine-Brücke aus „während eines ganzen Tages in 185 blauen Kübeln Wasser aus der Aare hinaufziehen. Nach Abschluss des Tagwerkes werden 100 geladene Gäste die 185 Kübel gleichzeitig über die Strasse tragen und das Wasser über die gegenüberliegende Brüstung zurück in die Aare schütten. Passanten und Automobilisten werden wohl oder übel warten müssen. Ein unbeschränkt dauerndes Projekt ist hingegen „Nullkunst”. Ueli Berger hat sieben Künstler/-innen gebeten, einen städtischen Ort zur Kunst zu erklären und die gewählten Stadtfragmente dann von Kunstkritikern und Schriftstellerinnen beschreiben lassen. Das Resultat ist eine wunderschöne „Hommage” an Bern, die als kleines, bebildertes Büchlein fassbar wird.

Das Resultat des Projektes von MauricioDias/Walter Riedweg ist vom 24. bis zum 30. August beim „Treffpunkt” im Bahnhof zu sehen. Doch einmal mehr ist nicht das Resultat die Essenz, sondern der Entstehungsprozess: Das Basler Duo bat Berner/-innen, die Namen ihrer Geliebten vor der Videokamera aufzuzählen. Niemand der Mitmachenden wird das Ereignis je vergessen und es darum für spätere Vergleiche mit anderen Aktionen zur Verfügung haben. An solchem arbeiten die Kunstschaffenden heute, als Kontrast zur Monotonie der täglichen Reizüberflutung. Die Aufnahmen, die ausschliesslich Lippen zeigen, werden im Video mit analogen Bildern von Basilianer/-innen kombiniert (Mauricio Dias ist Brasilianer). Kaum eine Chance, von vielen wahrgenommen zu werden, haben Projekte,die sich nur wenig von der Reiz-Menge unterscheiden. Zum Beispiel Markus Wetzels Transfer der „Metro”-Parkgarage in einen Kreuzpunkt eines weltweiten U-Bahn-Netzes (mit biographischem Hintergrund). Grafische Zeichen sind hiefür wohl nicht stark genug. Was all diese neuen, künstlerischen Aktionen verbindet, ist die Schwierigkeit der Vermittlung. Während eine traditonelle Ausstellung während längerer Zeit gleichwertig besucht und erlebt werden kann, bleiben Momentanlässe und die Präsentation von Dokumentationen in bezug auf das Ganze stets Flickwerk. Das heisst, die „Ausstellung” und die Meinungen dazu bilden sich mehrheitlich über mediale Vermittlung und nicht unmittelbar. Das gilt für „Transfert” ebenso wie für „on the spot”. Was die beiden Stadtausstellungen jedoch voneinander unterscheidet, ist die künstlerische Blickrichtung. In Bern wird die Beziehung zum Ort betont, wie das für Ausstellungen im öffentlichen Raum Tradition hat. In Biel hingegen.steht das Nomadentum der jungen Künstler im Vordergrund, die nirgendwo Wurzeln haben, sondern sich fliegend von Stadt zu Stadt durch die Welt bewegen. In diesem Sinne ist „Transfert” pointierter, zeitgenössischer, aber – gerade darum – noch schwieriger vermittelbar. Biel sucht die grundsätzliche Problematik der Vermittlung durch einen aufwändigen Katalog aufzufangen. Bern will mit langem Atem ( die Kette der Ereignisse dauert bis zum 25. November) und mit der Bündelung von Ereignissen auf bestimmte Tage (11.8./25.8./9.9.) Fassbares schaffen. Hier wie dort bleibt indes das Auseinanderdriften von persönlichen Momenterlebnissen und einer vagen Menge von Informationen vom Hörensagen.

Der Link zur Homepage: www.onthespot.ch