Junges Textil-Design im Aarbergerhus in Ligerz 2004

Die Lust dem Stoff ein Gesicht zu geben

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 23. Sept. 2004

Die alljährliche Ausstellung „Kunst Textil“ im Aarbergerhus in Ligerz versammelt heuer fünf junge Schweizer Textildesignerinnen. Eine begeisternde Lektion in Sachen Lust, Fantasie und modischem Flair.

Parallel zur uniformen Massen-Mode gab es schon immer die Haute Couture und seit manchem Jahr ist Kult, was ein marktwirksames „Label“ hat. Anders ausgedrückt: Der 0815-Mode stehen eine Vielzahl individueller Modesprachen gegenüber, die zuweilen bis an den Rand der Performance führen.

Kunst Textil 2004 zeigt hiezu vier ganz unterschiedliche Positionen aus der jungen Schweizer Textil-Design-Szene. Das Duo Zusana Ponicanova/Patricia Collenberg steht hierbei für ein bereits in den Markt eingeführtes Label mit Frühjahrs- und Winterkollektionen. Claudia Caviezel hingegen bewegt sich mit „tape it“ dort, wo das Experiment den Boden für Zukünftiges bereitet. Sophie Scheibler, die jüngste im Quartett, präsentiert ihre erste eigene Kollektion, während Jasmina Eleta den Rand der Kunst streift, indem sie nach Bild und Erscheinung fragt, frei nach „des Kaisers neuen Kleidern“.

Die gerade durch ihre Vielfalt faszinierende Ausstellung ist nicht zuletzt ein Qualitäts-Label für die Modefach-Klassen der Schweizer Gestalter-Hochschulen, haben doch alle ihre Ausbildung in Zürich, Basel oder Luzern absolviert. Und sind mit ihren Diplom- oder späteren Arbeiten zum Teil gleich in wichtige Ausstellungen wie den „Design Preis Schweiz“ oder die „Eidgenössischen Preise für Design“ aufgenommen worden.

Die Präsentationen im Aarbergerhus zeigen nachhaltig warum. Die Beispiele aus mehreren Jahres-Kollektionen versammelnden Stücke von Ponicanova/Collenberg zeigen eindrücklich wie Tragbares mit Stil kombinierbar ist, wie Farben, Geometrie, Strick- und Stoff-Qualitäten einander spielerisch steigern können. Wie sich andererseits präzise Eingriffe zu Ornamenten weiten, wie Flächen, Streifen, Kreuze, Sterne zum Bild im Kleid werden. Einfachheit und Rafinesse sind die Insignien ihres Labels.

„Eine Kollektion auf den Markt bringen“, nein, das möchte sie eigentlich nicht, sagt Claudia Caviezel. Das Entwerfen, Ausprobieren, Kombinieren, Spielen mit den Möglichkeiten von Bild, Stoff und Körper sei, was ihr Spass mache. Nähen ist darum auch nicht ihr Ding, kleben geht doch viel schneller und integriert überdies Linie und Farbe. Sie setzte ihr Credo auch subito um, indem den Teppich vor Ort mit ihrem Markenzeichen, dem Klebstreifen, der Präsentation gleich einverleibte.

Sophie Scheibler hat mit ihrer (Diplom)-Idee, Gegenstände fotografisch auf Stoff zu applizieren und sie in geschickten Drehungen zum Kleid zu machen, viel Beachtung gefunden; mit Madame Kaffeekanne zum Beispiel. Nun hat sie ihre Idee aufs Tier übertragen und eine köstliche, umfangreiche und vielseitige Kollektion entworfen, mit welcher man sich Katze, Wellensittich, Sennenhund oder Kaninchen im wahrsten Sinne des Wortes „einverleiben“ kann; Mann und Frau übrigens, so er oder sie sich traut den Körper bei passender Gelegenheit quasi zum Kunstobjekt zu machen.

Für die Ausstellung wichtig, weil nicht nur präsentierend, sondern auch Fragen stellend, ist die Position von Jasmina Eleta: Sie zeigt unter anderem eine Spiegeljacke mit Pfauenfedern, die sich schillernd dreht und die Gespiegelten hinterlistig fragt: Wer ist die Schönste im Land oder wer sieht des Kaisers (der Kaiserin) neue Kleider? Soziologisches prägt auch ihre Dia-Schau „Jugo-Smoke“, die Balkan-Zeichen und Label-Outfits kombiniert.

Was die Ausstellung indirekt zeigt, ist, dass Mode immer noch primär die Frauen meint. Zwar gibt es in der Designer-Szene Männer Herausforderndes, doch nur vereinzelt. In Ligerz wagt einzig Sophie Scheibler den Muni-Kopf einem Mann über den Bauch zu ziehen (ihre Fotos sind eine Bereicherung). Auch bei Jasmina Eletas Balkan-Geschichte spielen Männer mit, doch ist der Ansatz da ein anderer.

Abseits von Boutiquen, Ateliers und Kleinstläden präsentiert die Ausstellung nicht nur, sie stellt auch zur Diskussion und das macht sie interessant. Bezogen auf das Konzept der jährlichen Kunst Textil-Ausstellungen in Ligerz, die im weitesten Sinn eine Hommage an die Ligerzer Textilkünstlerin Elsi Giauque (1900-1989) sind, steht sie überdies für die Erinnerung daran, dass auch in Ligerz einst Haute Couture entworfen wurde. Einige Kleider von Elsie Giauque zeigen es.