Auswahl 08 Photoforum PasquArt 2008

Positionierung auf nationalem Niveau

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 16. Dezember 2008

Das Photoforum PasquArt geht neue Wege. Die „Auswahl 08“ signalisiert eine deutliche Steigerung der Qualitätsansprüche. Und hinterlässt als Kehrseite viele Enttäuschte zurück.

Es sei die Behauptung gewagt: Die Weihnachtsausstellung des Photoforums ist dieses Jahr qualitativ hochstehender als jene ihrer „grossen Schwester“ im Museum. Der Subjektivität des Eindrucks seien Zahlen vorangestellt. Das mit hochkarätigen Experten ergänzte Photoforum-Komitee hat  aus 180 Dossiers 18 Werkgruppen selektioniert. Das sind 10%. Die Kunstverein-Jury hat von 118 Bewerbungen 72 oder 61% berücksichtigt. Das ist im Chor der Jahresausstellungen landauf landab sehr wenig respektive sehr viel. Es ist nicht zwingend, aber eigentlich doch implizit, dass das mit dem Qualitätsniveau parallel geht. Denn Hochstehendes ist rar.

Das eine und das andere hat indes seine guten Argumente. Der Kunstverein zeigt die lokale Szene breit und umfassend, das Photoforum hingegen strebt eine nationale Position an. Nicht umsonst waren die Experten Urs Stahel, Direktor des Fotomuseums Winterthur und Nathalie Herschdorfer, Konservatorin am Musée de l’Elysee in Lausanne. Da will man sich als 2009 das 25-Jahr-Jubiläum feiernde Institution offensichtlich dazwischen positionieren. Das macht Sinn, findet man die lokale Fotoszene doch in der Kunstvereins-Ausstellung gut repräsentiert – erwähnt seien Mirei Lehmann, Tiziana De Silvestro, Andreas Tschersich.

Bezüglich einzelner Werke mag der erwähnte Qualitätsunterschied ein Trugschluss sein. Denn die Reduktion auf 18 Positionen erlaubt es dem Photoforum repräsentative Werkgruppen zu zeigen, während die Vielfalt beim Kunstverein oft eine schmerzliche Fragmen-tierung der eingereichten Konvolute beinhaltet und deren Ausstrahlung mindert.

Herausragend  sind in der „Auswahl 08“ des Photoforums insbesondere die grossfor-matigen „Surfaces #“ des mit dem „Prix Photoforum“ ausgezeichneten Matthieu Gafsou. Der 27-jährige Romand zeigt in Tunesien aufgenommene,  monumental wirkende Bauten und Plätze, verloren in gleissendem Licht, menschenleer, wunderschön und befremdend zugleich. Mag sein, dass das Unsagbare und somit Künstlerische darin liegt, dass Gafsou tunesische Wurzeln hat, aber europäisch denkt und empfindet und darum, wie er selbst sagt, nur die „Oberfläche“ sieht, nicht aber das Leben. Dieser Schmerz ist ebenso im stechenden Weiss des Lichtes wie im „Dunst“ des Sandsturms spürbar.

Zu den Finalisten um den „Prix“ zählten auch die Werkgruppen von Christian Lutz (Genf) und Claudio Rasano (Basel), die mit Jahrgang 1973 respektive 1970 erstaunlicherweise „ältesten“ und überdies, vor allem was Lutz anbetrifft, bekanntesten Teilnehmer. Die Wertschätzung überrascht nicht – Lutz’ acht 60 x 60 cm grosse Pigmentdrucke auf Hahnemühle-Papier aus dem Zyklus „OutWest“ zeigen eine Farmer-Familie in Oregon (USA)  so haarscharf zwischen Wild-West-Cliché und Realität, dass das eine vom anderen kaum zu trennen ist. Das heisst, man weiss man nicht sicher, ob man an Film-Vorbereitungen teil nimmt oder an real-amerikanischem Leben in der Prärie und das weckt genaues Hinschauen. 

Entlockt uns Lutz’ Serie ein europäisches Lächeln, so erstarrt der Blick vis-à-vis der Werkgruppe von Rasano. Die fünf C-Prints im Format 102 x 102 cm zeigen drei in unvorstellbar desolaten Verhältnissen in einer ehemaligen Militärunterkunft  lebende Männer in Tiflis (Georgien). Jegliches Zeichen von persönlicher Lebensgestaltung fehlt, das einzig spürbare ist Hunger und Trostlosigkeit. Fast beschämt nimmt die Qualität der Fotografien wahr.

Die beiden Werkgruppen markieren einen Trend: Jenen der Beobachtung von Menschen, sei es als Inszenierung, als Statement oder in  freiwillig oder unfreiwillig aussergewöhnlichen Lebenssituationen. Das kann das eigene Lebensumfeld (Emilie Muller), das Warten auf den Auftritt hinter den Kulissen (Maud Constantin) oder „Sons of the Hill“ (Thomas Rousset) sein.  Noch darüber hinaus geht das nachhaltig beeindruckende Protokoll des 26jährigen Bündners Michael Meier am Leben seiner kranken Schwester „Vanessa“. Als positiver Kontrast sei die performative Reihe von Arnaud Le Brazidec erwähnt, die ein Auto zwischen Vogelallüren und Springbrunnen-Träumen zeigt.

Eine einzige Bielerin hat den Sprung ins junge illustre Umfeld geschafft: Bianca Dugaro (geb. 1979) zeigt sechs figürliche Schemen im Nebel zwischen Wahrnehmung und Vision.
Info: Bis 11. Januar. Link: www.pasquart.ch