Jerry Haenggli in der Art-Etage Biel/Pasquart 2009

Malt den Menschen den Schrecken ins Gesicht

 www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3. Dezember 2009

Mit seinen Porträts geht Jerry Haenggli neue Wege, schaut aber weiterhin dem Schrecken ins Gesicht. Mit Eddie Hara und François Burland als Gästen stellt er in der Art-Etage im Pasquart aus.

In den letzten 10 Jahren hat der Jüngste der Maler-Dynastie Robert ein zeichnerisches und malerisches Werk geschaffen, das eigenwillig, nächtlich und fantastisch ist. Wenn sich die meisten zur Ruhe legten, dislozierte Jerry Haenggli (geb. 1970) ins schwarz ausgemalte Atelier, füllte es mit Punk-Sound und begann zu zeichnen, später mehr und mehr zu malen. Latent dem Comic verwandte, fratzenhafte Gestalten gingen in seinen Bildern einem dubiosen, nicht selten gewaltsamen Leben nach.

Auch in den neuen Porträts ist der Schrecken omnipräsent und man muss der Lust, den Bildern unverzüglich den Rücken zu drehen und wegzugehen widerstehen. Dann aber verliert die Abwehr an Kraft und man beginnt die Menschen hinter ihrem zombiehaften Aussehen zu spüren. Es wird klar: Sie sind nicht die Aggressoren, sondern Spiegelungen des Schreckens, den die dunkle Seite der Welt ihnen ins Gesicht schreibt.

„Ich kann nicht benennen, was sie so deformiert“, sagt Haenggli, aber er könne sie auch nicht im posenhaften Zustand von Möchtegern-Schönheiten belassen. Damit spielt er auf die Herkunft der Fotos an, die an der Basis stehen: Aus dem Internet heruntergeladene „Faces“ aus aller Welt. Dieser Bezug zur „Realität“ ist neu im Schaffen von Haenggli und auch die Konzentration auf ein einziges Motiv, das wesentlich mehr an malerischem Können fordert als eine vielfigurige, direkt „aus dem Bauch“ gemalte Szene, gab es bisher nicht oder nur im Kleinstformat. Man kann von einer selbstbewussteren, verstärkt malerischeren Präsenz der einzelnen Bilder sprechen.

Hinter der Entwicklung steht ein Erlebnis. 2008 reiste Haenggli erstmals mit Eddie Hara – einem in Basel lebenden indonesischen Künstler nach Yogyakarta auf Java, einem in Europa kaum bekannten asiatischen Kunstzentrum. Dieses Jahr nun weilte er vier Monate daselbst und kam aus dem Staunen nicht heraus. Nicht nur weil ihm ein in der Kunstboom-Town zu Ruhm gelangter Künstler eine ganz Loft zur Verfügung stellte, sondern vor allem weil er, der bei uns fast als „Outsider“ betrachtet wird, dort, wo das Figürlich-Phantastische dominiert, mit seiner Kunst plötzlich mittendrin stand und fast als einer der ihren betrachtet wurde. Nicht dass Haengglis Bilder jetzt „asiatisch“ geworden wären, keineswegs, aber dass er nun auch tagsüber malen kann, weist auf eine innere Veränderung.

Es gehört zur Eigenart der Ausstellungen in der vor einem Jahr eröffneten Art-Etage im Pasquart-Anbau, dass die eingeladenen Künstler Gäste mitbringen, in diesem Fall Eddie Hara und François Burland. Die Bilder des in Yogyakarta hoch gehandelten Hara (geb. 1957) verraten die lokale Tradition des batikähnlichen Überlagerns, aber auch die Kombination von Volkskultur und japanischem Comic. Der Waadtländer François Burland (geb. 1958) hingegen steht für ein Schaffen jenseits von Konventionen, am Rande der „art brut“. In Biel zeigt er eine aus Dosenblech gebastelte russische Kriegsmaschinerie, eine Art Monumente des „kalten Krieges“. Mit Haenggli verbindet ihn die Überzeugung, das Authentische im Abseits zu finden.

Info: Jerry Haengli, Art-Etage, Pasquart-Anbau, Seevorstadt 71, Biel.  Vernissage: Freitag, 4. Dez. 18.30 Uhr; es spielt „Creed“ (unplugged). Bis16. Jan. Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa 11-18 Uhr. 20. Dez. bis 5. Jan. geschl.

Bildlegende:

Jerry Haenggli: Beispiele aus der Serie der Porträts von 2009. Bilder: azw

 

Jerry Haenggli

Geboren am 21. April 1970 in Vevey, lebt in Biel.

Seine Mutter ist die Malerin Marie-Françoise Robert.

Mit 14 stellt er in der Weihnachtsausstellung der Kunsthalle Bern aus.

Ist Maler, Musiker, Museumstechniker.

Ankäufe für die Sammlung der Stadt Biel.

2000 Anderfuhren Stipendium, 2009 Werkbeitrag der Stadt Biel.

Ab 1989 Einzel- und Gruppenausstellungen, zuletzt bei Duflon&Racz, Bern (2008), Arte-Etage, Biel, Weihnachtsausstellung Museum Pasquart (2009).