500 Blatt aus 40 Jahren

John Armleder in der Kunsthalle Zürich. Bieler Tagblatt 17. November 2004

John Armleder – einer der bekanntesten Schweizer Internationalen – hat für die Kunsthalle Zürich mehr als 500 Zeichnungen aus 40 Jahren zusammengewürfelt. Und nennt die Ausstellung „about nothing“.

Im ersten Hauptraum hängen sie – zwar einzeln gerahmt – aber dicht nebeneinander, von links nach rechts und von unten bis oben. Im zweiten Raum sind sie schon etwas lockerer, bestimmter, virtuoser im Spiel. Und im dritten postulieren sie Einzel-Präsenz. Fast sind sie – gewollt oder ungewollt – ein bisschen Biografie des Genfer Künstlers mit Jahrgang 1948.

Die Zeichnungen, die er aus einer Vielzahl von Schachteln (abzüglich jener, die mal von Mikro-Organismen vertilgt wurden) herauszog, tapezieren die Wände tendenziell chronologisch. Das heisst, der erste Raum gilt primär den 70er-Jahren, der Zeit als der junge Künstler aus gutem Hause zum Schrecken des Establishments Fluxus hoch leben liess. Die Menge, die Aktion, das Sein, das Bewegen, der Zufall, die Musik, das Spielen war wichtig und die Zeichnung ein möglicher Ausfluss davon. Alles tummelt sich da, Malerisches, Minimalistisches, Popiges, Comichaftes. Der Markt betrachtet die Blätter heute zwar als „Werke“, aber der Ausstellungs-Titel „about nothing“ ist so träf wie Armleders Werk als Ganzes. Immer oszilliert es zwischen „ja“ und „nein“ und lässt einem unschlüssig, wie ernst man die Punktebilder, die Möbel-Skulpturen, die Tropfbilder, die Neon-Installationen nehmen soll.

Eine Vereinzelung der Zeichnungen hätte ihnen eine Ernsthaftigkeit gegeben, die sie im Sinn von „Anflug“ oder „Flash“ zwar mal kurz hatten, aber mit verklingender Resonanz. Wie ein Ton, der da ist und schon wieder weg. Man kann ihn wieder erzeugen, aber es ist nicht mehr derselbe. Armleder sagt, er habe mit 14 Jahren ein Ticket für ein John Cage-Konzert in Donaueschingen erhalten, das sei für ihn Lebens-Zündung gewesen. Und das ist in der Fülle einer Zeichnungsausstellung fassbar wie sonst kaum je.

Im zweiten Raum kommen dann die „Dots“ zur Welt. Ein wenig eine Hommage an Francis Picabia, sagt Armleder. Und da ist wieder das Faszinierende: Der Künstler, der genau weiss, was er tut, es virtuos nützt, bis hin zum Markterfolg, und sich trotzdem ständig entzieht. Ob er sich denn noch an die einzelnen Blätter erinnere, wurde er an der Eröffnung gefragt. Es sei erstaunlich, sagt er, bei den meisten wisse er, wo, wann und mit wem sie in Zusammenhang stünden. Und da blitzt die zweite Konstante auf: Die Bedeutung von Situationen, von Freundeskreisen, von Netzwerken. Immer und immer wieder hat sich Armleder für andere Künstler eingesetzt, eingeschlossen seine Frau, die Künstlerin Sylvie Fleury.