Carola Bürgi Centre PasquArt Biel 2006

Lautlos weht der Wind durch die Salle Poma

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt August 2006

24 Klangsäulen messen die Salle Poma aus. Die Genfer Künstlerin Carola Bürgi (39) hat im Centre PasquArt ihre bisher grösste Raum-Installation realisiert.
 

Ohne irgendwelche Regeln zu folgen platzierte Carola Bürgi 24 runde Säulen aus grünlich schimmernder Haushaltfolie im Zentrum des 16.5 x 19.5 Meter grossen Oberlichtsaales des CentrePasquArt. Das von oben einfallende Tageslicht und die Lichtdurchlässigkeit der Säulen schaffen eine unwirklich anmutende Atmosphäre. Diese wird gesteigert von auf- und abschwellenden Vibrationen, welche die Säulen mal unhörbar, mal grollend und sausend zum Zittern bringen.

Sind nur wenige Personen im Saal, sodass man sich auf sich selbst konzentrieren kann, fühlt man die Übertragung der Vibrationen in den eigenen Körper und wird so quasi Teil der grossräumigen Installation. Mit dem Verweilen wird auch die räumliche Anordnung der vier autonomen „Klang-Pisten“ fassbar und die künstliche Inszenie-rung wandelt sich im Empfinden immer mehr zum „Wald“-Spaziergang, zum scheinbaren „Natur“-Erlebnis.

Genau diesem Kreuzpunkt zwischen Natur und Künstlichkeit gilt das Interesse der seit langem in der Romandie lebenden Luzernerin. Die Natur ist ihr Inspiration, aber sie will sie weder ab- noch nachbilden, sondern die Wahrnehmung – von Wind, von Klang, von sich wandelndem Licht – mit künstlichen Mitteln neu erschaffen und die Pänomene damit bewusst machen.

Dasselbe Changieren zwischen visueller Erscheinung und kollektiver (Natur)-Erinnerung seitens der Betrachtenden prägt auch die im Vorraum der Salle Poma präsentierten Malereien. Fast in Weiss gehalten, tauchen die floralen oder architek-tonischen Bild-Elemente nur schemenhaft auf und verändern im Vorbeigehen überdies ihre farbliche Präsenz. Lichtspiele wie man sie von der Sonne auf der See-Oberfläche oder dem Wind in den Blättern der Silberpappel kennt, stehen in Wechselwirkung zur Wahrnehmung der betont querformatigen Bilder.

Kunst kommt nicht nur von Vorstellung, sondern auch von „gewusst wie“. So ist es köstlich zu erfahren, dass Carola Bürgi bei der Verwirklichung der Säulen auf Kenntnisse aus ihrer Erstausbildung als Keramikerin zurückgriff und die Haushaltfolie auf einer Drehscheibe hochzog. Im Gespräch erfährt man auch, dass die Vibrationen von Lautsprechern im Boden der Säulen erzeugt werden, die ihrerseits von einer Klang-Modulation ab Computer gespeist werden. In Zusammenarbeit mit Olivier Goy hat Bürgi eine Frequenz-Suite geschaffen, die weitgehend mit so tiefen „Tönen“ arbeitet, dass wir sie nicht hören, in der Übertragung in die Installation aber sehr wohl sehen können. So gelingt es der Künstlerin, Klänge in visuelles Erleben umzusetzen und uns damit zu faszinieren. Auch ihre Bilder sind nicht Zauberei, den Op-Art-Effekt löst sie aber nicht durch Form- und Farbrhyhtmen aus, wie das bekannt ist, sondern durch die Unschärfe der Motive, verbunden mit dem gezielten Einsatz von Gold-, Silber und Perlmutt-Pigmenten.

Die Ausstellung im Centre PasquArt ist die bisher bedeutendste der in der 150 Kunstschaffenden Raum bietenden „Usine Kugler“ in Genf arbeitenden Künstlerin. Seit rund acht Jahren setzt sich die einstige Schülerin von Carmen Perrin an der Ecole supérieure des beaux-arts in Genf mit dem Material Haushaltfolie auseinander. In zahlreichen Installationen mit „Fenstern“ und „Wänden“ spielte sie seither mit dem vergänglichen Material, das lichtdurchlässig, aber nicht transparent ist; ein Moment, das der Künstlerin philosophisch wichtig ist. Die Malerei ergänzt ihr plastisches Schaffen seit dem Nachdiplomstudium bei Claude Sandoz (2001/02).

Carola Bürgi vertritt innerhalb der aktuellen Kunst eine Haltung, die sich im Plastischen eher an der Minimal Art orientiert denn an Lifestyle und in der Malerei Ansätze von Gerhard Richter bis Uwe Wittwer für ihre Ziele neu formuliert. In der Intensität der Umsetzung, in der Subtilität des Materialeinsatzes und im Crossover von visueller Erscheinung und Klangmomenten, entsteht daraus eine durchaus eigenständige Haltung. Kuratiert wird die Ausstellung in Biel von Caroline Nicod.